Click uns!: Hebel und Kraft im Organismus - Die Hebellänge - Die Hebellänge in der Praxis - Beispiel Hebelänge Pferd 1: Moderne Zucht, sehr kritisches Exterieur - Beispiel Hebellänge Pferd 2: Moderne Zucht, kritisches Exterieur - Beispiel Hebellänge Pferd 3: Sehr gutes, stabiles Exterieur - Kompensationsmechanismus von Hebel und Kraft - Kompensationsmechanismus Beispiel Kreuzdarmbeingelenk - Kompensationspotential von Hebel und Kraft in Korrektur und Training - Muskulatur und Einsatzzweck - Skizze: Muskulatur Pferd - Faszien
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Hebel, Kraft und Muskulatur
Hebel und Kraft im Organismus
Jede Bewegung die wir unseren Pferden abverlangen ist unter Anderem auch das Resultat eines gut abgestimmten Zusammenspieles von Dosierung der Muskelkraft und dem Einsatz von Hebeln. Per Definition aus Physik und Technik ist ein Hebel
ein mechanischer Kraftwandler bestehend aus einem starren Körper, der um einen Drehpunkt drehbar ist. Auf einen Organismus übertragen, sind die Länge der Knochen die Hebellängen, die Gelenke bilden die Drehpunkte und die Muskeln liefern die Kraft. Die Knochen, die Beschaffenheit der Muskeln und die Disposition der Gelenke sind in der Regel von Natur aus zueinander genau so ausgerichtet und in einem vernünftigen Belastungsverhältnis ausgebildet, dass sie in ihrer natürlich vorgegebenen Funktionseigenschaft mittels für das Pferd durchschnittlichem Aufwand bedient werden können, ohne überlastet zu werden.
Unsere Pferde sind also für sich und der ihnen von Natur aus angedachten Belastung bestens ausgestattet. Für die zusätzliche Beanspruchung, die wir ihnen mit unserem Gewicht und den von uns geforderten Bewegungsausführungen abverlangen, müssen sie das Verhältnis von Kraft und Hebel ununterbrochen neu berechnen und höchst flexibel aufeinander abstimmen. Die besondere Herausforderung für unsere Pferde dabei liegt darin, uns Reiter als für sie unbekannte Größe ununterbrochen in ihre körperintelligenten Bewegungskalkulationen mit einzu-beziehen. Unsere Pferde können nicht voraussehen was genau im nächsten Moment passieren wird, wie wir unseren Körper bewegen und welchen Schritt sie als nächstes tun sollen. Sie agieren situativ reaktiv. Das bedeutet dass auf Reiterimpulse sofort und unmittelbar reagiert wird.
Je länger der benutzte Hebel umso weniger Kraft wird für das gleiche Ergebnis benötigt. Wird ein kurzer Hebel gewählt muss mehr Kraft aufgewendet werden. Schlussfolgernd hemmt eine übermäßige Nutzung von Hebeln die Entwicklung von Kraft. Da auch Pferde von sich aus dazu tendieren kraftsparend zu agieren, benutzen sie – insbesondere bei unstimmigem Exterieur - in der Regel eher den kraftsparenden Hebel als in anstrengende Muskelkraft zu investieren. Viele Pferden haben aufgrund ihrer Skelettanordnung auch gar keine andere Möglichkeit als sich ihrer Hebel zu bedienen.
Verstehen wir die Wirkungsweise von Hebeln und deren Wechselwirkung mit der aufzuwendenden Muskelkraft, kann ihr Einsatz in vielen Situationen sehr hilfreich sein. Mit Kenntnis der Hebel/Kraftgesetzte können wir zum Beispiel die körperlichen Stärken und Schwächen unserer Pferde bei der optischen Beurteilung besser einschätzen. Sind wir uns der Zusammenhänge bewusst, können wir sie in der Praxis gezielt zu Trainings- und Korrekturzwecken einsetzen.
Aufgrund des sehr starken Kompensationspotentiales von Hebel und Kraft sollte der Gebrauch in der Reiterei jedoch sehr sorgsam und überlegt ausgleichend erfolgen.
Die Länge der Knochen sind die Hebellängen, die Gelenke sind die Drehpunkte und die Muskeln liefern die Kraft. Der Einsatz von langen Hebeln reduziert den Kraftaufwand, der Einsatz von kurzen Hebeln erhöht den Kraftaufwand.
Die Hebellänge
Die Knochen sind durch die Gelenke miteinander verbunden und die Muskeln sind an den Knochen angewachsen. Je stärker die Muskeln angespannt werden umso kleiner wird der Winkel zwischen den entsprechenden Gelenken. Je weniger die Muskeln angespannt werden umso grösser ist der Gelenkwinkel zwischen den beiden Knochen. Je weniger die Gelenke gewinkelt, je gerader, gestreckter und länger also die Verbindung ist, umso größer ist die Hebelwirkung. Je stärker ein Pferd zum Beispiel sein Hinterbein lang streckt, je ungewinkelter es dieses Bein nach vorne führt und je weiter vorne das Pferd diesen langen Hinterhandhebel für das Auffussen unter seinem Rumpf platziert, desto grösser ist die Hebelwirkung in diesem Moment des Bodenkontaktes. Da ein langer, gestreckter Hebel durch sehr wenig Muskelkraft gestützt wird, steigt zusammen mit der starken Hebelwirkung auch die Belastung auf die ebenfalls muskulär unzureichend stabilisierten Gelenke. Lange instabile Hinterhandhebel enden beim Auffussen meist mit groben Stößen im Hüftgelenk. In der nach dem Auffussen folgenden Vorwärtsbewegungsphase wenn das Pferd sein Hinterbein nach hinten schiebt um seinen Körper nach vorne zu bewegen enden lange Hinterhandhebel immer im oft dadurch überlasteten Kreuzdarmbeingelenk (ILSG).
Nur ein, der jeweils geforderten Bewegungsausführung angemessen angepasst gewinkeltes, durch Muskelkraft stabilisiertes, in einem natürlichen Rotationsradius gesund rotierendes Gelenk kann unbeschadet seiner Hauptfunktion als Dreh- und Umlenkpunkt nachkommen.
Die Hebellänge in der Praxis
Verdeutlichen und erfahren können wir die Hebelwirkung am besten an uns selbst. Laufen wir zum Beispiel geradeaus und winkeln dabei unser Kniegelenk nicht ab sondern führen stattdessen unser Bein nur aus dem Hüftgelenk nach vorne, bildet unser gesamtes Bein aus der Hüfte heraus bis zum Fuß einen langen Hebel. Dabei stellen wir fest, dass wir mit so einem geraden und langen Hebel bei einem Schritt einen viel größeren Raumgewinn haben als mit einem angewinkelten Knie. Allerdings gestaltet sich unser Bewegungsablauf auch ziemlich holprig und unangenehm.
Erreicht unser Fuß weit vorne den Boden, stößt der lange Hebel direkt in unser Oberschenkelgelenk. Wollen wir uns mit dem Fuß wieder vom Boden abdrücken, stellen wir fest, dass uns die Kraft kaum ausreicht und unser Hüftgelenk in das der starre Hebel mündet und das den Stoß abfangen muss, übermäßig stark rotiert. Da wir alle darunterliegenden Beingelenke festhalten um den Hebel zu stabilisieren fehlen sie in ihrer Funktion als ausgleichend federnde Puffer.
Auf Dauer würden unsere Hüftgelenke durch die Stöße, die normalerweise stabil federnd von den Weichteilstrukturen (Muskeln etc.) abgefangen werden, in Mitleidenschaft gezogen. Unsere Sprunggelenke würden überlastet. Um Schmerzen zu vermeiden und den ungünstigen Schwerpunkt auszugleichen würden wir uns mit unserem Oberkörper nach vorne neigen und versuchen, unser Hüftgelenk im Kreuzdarmbeingelenk (dem nächstmöglichen Dreh-
punkt) zu entlasten. In Folge dessen würde auf Dauer der Bereich des auch beim Menschen sehr wenig rotationsfähigen Kreuzdarmbeingelenkes (ILSG) überstrapaziert. Genau so verhält es sich auch beim Pferd. Führt ein Pferd seine Vorder- oder Hinterbeine nicht angemessen natürlich angewinkelt, sondern extravagant gestreckt nach vorne, resultieren daraus durch den langen Hebel übertriebener Raumgewinn auf Kosten der Tragkraft und der Gewebestrukturen. Durchlässigkeit, Geschmeidigkeit und gesunde
Rückentätigkeit sind so nicht möglich. Beobachten wir also Pferde, die ihre langen, gestreckten Hinter- oder Vorderbeine sehr weit nach vorne oder unter ihren Leib führen anstatt kräftig mit natürlich gewinkeltem Bein und angemessenem Raumgewinn in die Last zu treten und die in der Folge beim Abfussen ihren Rumpf, besonders im Brustbereich - nach unten neigen anstatt ihn anzuheben, versuchen sie damit, mangelnde Kraft durch längere Hebel zu kompensieren. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, auch könnte beispielsweise eine pathologische Beckenstellung der Grund sein.
Beispiele
Pferd 1: Moderne Zucht - sehr kritisches Exterieur
Eine perfekte Mogelpackung. Die Bergauftendenz des Rumpfes ist nicht das Resultat einer reellen Kraftübertragung aus der Hinterhand, sondern sie ist eine rein optische Erscheinung eines künstlich hochgezüchteten Widerristes mit tief gezüchtetem Becken, ähnlich wie wir es aus der Schäferhundezucht kennen. Das Pferd zeigt trotz optisch tiefer Hinterhand keine Hankenbeugung und hat eine auffallend
schmale und sehr schlecht bemuskelte Hinterhand. Stöße dämpfende und Stöße umleitende Muskeln fehlen auch vorne. In dem Moment in dem das linke Vorderbein viel zu weit vor dem Rumpf auf dem Boden aufkommen wird, wird die Aufprallwucht ungedämpft in die Pferdeschulter stoßen. Dadurch dass das Vorderbein viel zu weit vor dem Pferdekörper aufkommen wird, wird das Pferd beim Abfussen seinen
Brutstbereich nicht unterstützend anheben können. Das Pferd bewegt sich fast ausschließlich durch den Einsatz von Hebeln vorwärts und trägt seinen Körper im Hauptsächlichen über sein Skelett, dem weitestgehendst die muskuläre Stütze fehlt. Dem nicht mit abgebildeten Reiter ist es trotz gutem reiterlichen Vermögens kaum möglich, das Pferd aufgrund seines Exterieures anders zu reiten.
Pferd 2: Moderne Zucht - kritisches Exterieur
Das Pferd hat ein noch korrigierbares Exterieur. Der Rücken wirkt leicht karpfenrückenartig, was in dem abgebildeten Moment daran liegt, dass die Kraft aus der Hinterhand reell nur bis ungefähr in die Sattellage hineingeleitet werden kann, jedoch nicht darüber hinweg in den Widerrist- Trapezmuskelbereich. Der Galopp ist in dem Fall dem Exterieur angepasst unspektakulär und gut geritten. Insgesamt dürfte das Genick für diese Haltung offener sein, dafür wäre es aber notwendig, dass sich das Pferd
unterstützend mit der Vorhand kräftiger vom Boden abstößt um sich insgesamt im Brust- und Widerristbereich etwas mehr aus der Schulter heraus heben zu können. Alternativ dazu könnte man das Pferd auffordern, seinen Hals so weit zu senken bis es mit der Nase etwas über Bughöhe gelangt. Damit würde der Höhenunterschied von langem und verlängertem Rückenmuskel etwas angeglichen und eine kraftüberleitende Verbindung über den Widerrist- Schulterbereich würde möglicher. Diesem Pferd jedoch fällt es sehr schwer
seinen Hals zu senken ohne ihn anstatt im vorderen Halsdrittel zu halten, im unteren Halsbereich schulternah vernünftig zu stützen. Wenn das Pferd mit der Vorhand auffusst, wird es seinen Körper seiner nach vorwärts/abwärts folgenden Wirbel- säulenflucht mit nach vorne/unten fallen lassen. Dieses Pferd ist sicherlich nicht einfach zu reiten, da der Grenzbereich in dem das Pferd entweder seine Ober- oder seine Unterlinie benutzen möchte sehr klein ist. Der nicht mit abgebildete Reiter hat ein gutes Mittelmaß gefunden.
Pferd 3: Sehr gutes, stabiles Exterieur
Ein, vom nicht mit abgebildeten Reiter, sehr gut gerittenes Pferd mit sehr gutem Exterieur. Der Raumgewinn passt perfekt zur Körperlänge. Das Pferd zeigt eine, aus einer hervorragenden Abstimmung von Kraft und Hebeln, ungezwungene freie reelle Bergaufgaloppade. Die Hinterhand ist
aktiv, die Hanken sind angemessen gebeugt, das Genick ist weit genug offen, die Oberlinie stabil. Das Pferd bewegt sich in einem idealen Muskeltonus der dem Körper eine gut abgestimmte verspannungsfreie stabile Eigenbewegung ermöglicht. Die Knochen und Gelenke sind durch die
gut ausgebildete Muskulatur hervorragend gestützt und stoßdämpfend geschützt. Das linke Vorderbein wird nahe genug am Rumpf auf dem Boden aufkommen um den Stoß gut abzufangen und sich rasch und kräftig wieder unter dem Leib vom Boden abstoßen zu können.
Kompensationsmechanismus von Hebel und Kraft
Die für den von Natur aus vorhergesehenen Alltagsgebrauch ausgebildeten Körperstrukturen unserer Pferde werden durch das Reitergewicht und den von uns geforderten Aufgaben einer hohen zusätzlichen Belastung ausgesetzt. Es sollte deswegen besondere Aufmerksamkeit darauf gelegt werden, dass der Hebeleinsatz stets in einem zuträglichen Verhältnis zu der derzeit ausgebildeten Muskelkraft und den durch das Exterieur vorgegebenen Bewegungsmöglichkeiten steht.
Am eigenen Körper kann das Kompensationspotential bzw. der Kompensationsmechanismus von Hebel zu Kraft und von Kraft zu Hebel sehr plastisch bei zum Beispiel der Ausführung von Kniebeugen oder Liegestützen erfahren werden. Je gebeugter die Beingelenke, je geringer also die Hebellänge, umso mehr Kraftaufwand ist nötig um den Körper in Position zu halten. Ab 90° werden wie regelrecht in die Hocke "gezogen". Je gestreckter unsere Beine, je länger also die Hebel, umso weniger Muskelkraft müssen wir aufwenden um unseren Körper zu stabilisieren. Gerade stehen ist am unanstrengendsten. Außerdem: Je mehr wir unseren Oberkörper bei gewinkelten Knien nach vorne neigen um uns auf den neuen Schwerpunkt auszurichten, umso weniger Kraft müssen wir aufwenden.
Unsere Pferde verfügen für die Bewältigung der ihr Überleben sichernden Aufgaben, über eine hohe intuitive Körperintelligenz zu der auch gehört, möglichst energiesparend zu agieren. Diese Körperintelligenz beginnt in der Regel dann zu versagen, wenn ihr Organismus Aufgaben zu erfüllen hat, für deren Bewältigung er von Natur aus nicht vorgesehen ist und außerdem nicht darauf vorbereitet wurde. Ein Pferd weiss nicht automatisch, wie es sich unter zusätzlicher Reiterbelastung so zu bewegen und zu koordinieren hat dass sein Körper unbeschadet bleibt, da eine solche Belastung in seiner Natur nicht vorgesehen ist. Es weiss noch nicht einmal dass es seinem Körper dabei schaden könnte.
Es wird sich also auch unter dem Reitergewicht so energiesparend und unanstrengend wie möglich bewegen, unter Umständen auf Kosten seiner körperlichen Unversehrtheit. Die für das Pferd naheliegendste und am schnellsten umsetzbare Möglichkeit Energie zu sparen ist der Einsatz von Hebeln. Fordern wir unser Pferd auf, eine Bewegung auszuführen für die es noch nicht genügend Muskelkraft ausgebildet hat, wird es sich zur Kompensation der Muskelkraft eines Hebels bedienen. In einem gesunden Maß ist diese Kompensationsreaktion völlig unbedenklich und normal. Ohne sie wären Training und Ausbildung von Muskelkraft, die dem Pferd zu einer ergänzenden Ausweitung seiner natürichen Körperintelligenz verhelfen gar nicht möglich.
Verlangen wir jedoch wiederholt Bewegungen die weit entfernt von der zur Ausführung nötigen und der dem Pferd verfügbaren Kraft oder seinen anatomisch vorhandenen Möglichkeiten stehen, oder benutzt das Pferd aufgrund eines unvorteilhaften Exterieures vermehrt Hebel und münden diese, durch sehr viele ungewinkelte Gelenke entsprechend sehr geraden und langen Kompensationshebel auf Dauer in immer dem gleichen Endgelenk, so kann es passieren, dass dieses meist bodenferne Endgelenk (in der Regel das ILSG) überlastet wird und Schaden nimmt. Das Gelenk das dem Boden am nächsten ist (Fesselgelenk), ist das Gelenk das in der Regel am schnellsten nachgibt. Bodennahe Gelenke sind sehr beweglich und klein weswegen sie rasch überlastet werden können. Beispiele hierfür sind die oft zu stark eingeforderte Piaffe, zu starke Versammlung oder zu starke Hankenbeugung (durch Muskelkraft getragene, zieharmonikaartige Winkelverkleinerung zwischen Hüft- Knie- und Sprunggelenk).
Beispiel Kreuzdarmbeingelenk
Für die Ausführung einer Piaffe zum Beispiel ist, um dabei die Strukturen nicht zu schädigen, enorme Muskelkraft nötig. Der Endpunkt des Hebels dessen sich das Pferd mit noch unzureichender Muskelkraft bedienen würde, ist das Kreuzdarmbeingelenk (ISG/ILSG). Das Kreuzdarmbeingelenk wirkt von Natur aus eher als Kraftüberträger als als Gelenk, denn das Kreuzdarmbeingelenk ist kein Gelenk im herkömmlichen Sinne. Es ist zwar von sehr starken Bändern umgeben und gehalten, weist aber nur einen ausgesprochen kleinen Rotationsradius und sehr wenig Platz für umgebende Weichteilstrukturen, wie zum Beispiel Muskeln auf. Stabilisierende, beziehungsweise dämpfende Muskeln hat es praktisch nicht. Zu viel
ankommede Kraft und starke Stöße können demnach nicht durch eine Drehbewegung des Gelenkes zu einer anderen flexibleren weichen Pufferstelle im Körper umgeleitet werden. Meist ziehen im ILSG überlastete Pferde zusätzlich ihr Becken stark nach vorne ein, wodurch sich ihr ISG relativ weit öffnet. Ein zu sehr aus seiner neutralen Position herausgenommenes, geöffnetes ISG kann Kraft nur unzureichend in die Wirbelsäule weiterleiten. Bei Pferden, die von einer derartigen und dauerhaften Hebelkompensation betroffen sind, zeigt sich die Überbeanspruchung des Kreuzdarmbeingelenkes meist auch durch eine entsprechende dachförmige Kompensationsmuskulatur auf der Kruppe direkt über dem ILSG.
Die Folgen der Kompensationsdynamik von Hebel und Kraft finden wir sehr oft, aber nicht nur im Kreuzdarmbeingelenk. Sie kann sich in allen Körperteilen ausbilden. Meist ist sie in bzw. um mindestens den Bereich in dem die Kompensation stattfindet an sichtbar ausgebildeter Kompensations- und damit Fehlmuskulatur erkennbar.
Nur ein sehr sanft geöffnetes, stabil gehaltenes ILSG ist in der Lage, Kraft von der Hinterhand in die Wirbelsäule zu leiten. Durch ein zu stark geöffnetes ILSG wie es zum Beispiel bei eingezogenem Becken der Fall ist, kann keine Verbindung von der Hinterhand zur Wirbelsäule hergestellt und damit auch keine Kraft übertragen werden.
Wirbelsäule / ILSG beim normalen, gesunden Pferd - neutrale Stellung
Wirbelsäule / ILSG beim normalen, gesunden Pferd - leicht geöffnet
Verlangen wir von unserem Pferd eine stark lastaufnehmende Übung wie zum Beispiel die Piaffe oder den Schulhalt, müssen wir dabei darauf achten, dass das Pferd nicht zu Hebelkompensationen gezwungen wird. Die, die Lastaufnahme trainierenden Übungen müssen mit gebeugten Hanken die einen angemessenen Einsatz von Muskelkraft erfordern, einer nur sanft nach vorne tendierenden Beckenstellung und einem nur sehr sanft geöffneten Kreuzdarmbeingelenk das eine maximale Kraftübertragung von der Hinterhand in die Lendenwirbelsäule ermöglich ausgeführt werden. Wir "setzen" das Pferd in die Lastaufnahme. Ein gekipptes, nach vorne eingezogenes Becken nimmt keine Last auf und hat mit korrekter Hankenbeugung nichts zu tun.
Gekipptes, nach vorne gezogenes Becken ohne Lastaufnahme mit langem Hinterbeinhebel.
Gebeugte Hanken mit guter Lastaufnahme
Führen Pferd und Reiter lastaufnehmende Übungen mit dem Ausbildungsstand entsprechend angemessener Hankenbeugung richtig und damit körperschonend aus, übertragen sich Kraftfluss und Bewegung unmittelbar in gesunder Wechselwirkung vom Pferd auf den Reiter und vom Reiter auf das Pferd in genau den gleichen Körperteilen.
Vergleich Kreuzdarmbein- Beckenbereich: Mensch / Kreuzdarmbein- Beckenbereich: Pferd
Jede dauerhafte unzuträgliche Unverhältnismäßigkeit von Hebel- zu Krafteinsatz zieht im Zweifelsfalle eine Schädigung von Strukturen und eine entsprechende Kompensationsmuskulatur bei Reiter und Pferd nach sich.
Kompensationspotential von Hebel und Kraft in Korrektur und Training
Der Pferdekörper ist ein zusammenhängendes, ineinanderwirkendes Organsystem, bestehend aus wiederum vielen zusammenhängenden ineinanderwirkenden Organsystemen, die sich mit- und ineinander verwoben durch den gesamten Pferdekörper hindurchziehen und in dem jeder, an einer bestimmten Stelle eingeleitete und ankommende Impuls (Hilfengebung) an seine benachbarten Strukturen den Körper schützend entweder weitergeleitet oder nicht weitergeleitet werden können muss. Ähnlich verhält es sich mit der Aufmerksamkeit unserer Pferde. Nicht wenige Pferde sind regelrecht "zerstreut". (Ich umschreibe das gerne mit "sie sind nicht in ihrem Körper"). Solche Pferde müssen erst einmal "mental eingesammelt" werden, bevor Anfragen an sie gerichtet werden können, die sie dann zur Umsetzung an ihren Körper weitergeben können. Unerwünschte Bewegungsabläufe, Muskelverärtungen oder -deformationen sind im Normalfall das Ergebnis von ungünstigem mentalem und/oder körperlichem Energiemanagment.
Da massive Verhärtungen oder Deformationen an einer Stelle immer entweder das Resultat oder die Ursache weiterer Muskelverhärtungen an anderen Stellen im Pferdekörper sind an denen ebenso Impulse (Hilfengebung) nicht in den Körper eingeleitet und weitergeleitet werden können, müssen zur Korrektur erst einmal für eine erfolgreiche Hilfengebung der Einleitung zugängliche Stellen am Pferdekörper gefunden werden. Was nicht eingeleitet werden kann, kann auch nicht weitergeleitet werden.
So kann es in sehr schlimmen Fällen sein, dass sich eine mögliche Impulseinleitungsstelle sehr weit entfernt
von der eigentlich sichtbar deformierten Stelle findet. Je weiter entfernt die Einleitungsstelle von der Deformation, umso länger dauert es erfahrungsgemäß bis alle Strukturen bis hin zur Zielstelle so weit durchlässig umstrukturiert wurden dass der Impuls seine dehnende, entspannende und damit heilende Wirkung entsprechend kräftig am Zielort entfalten kann. (Muskeln dehnen Muskeln!). Finden sich keine Impulseinleitungsstellen am Pferdekörper können sie meist durch die Zuhilfenahme von Hebeln geschaffen werden.
Bei massiv verkrampften, im Körper regelrecht zusammengezogenen Pferden, oder bei Pferden, die geradewegs in sich
zusammenfallen, dehnt, bzw. spannt man erst einmal die gesamte Muskulatur auf ihre normal mögliche Länge. Bei diesen Übungen wird zwischen dem Einsatz stark verkürzter und stark verlängerter Hebel abgewechselt um später daraus einen vernünftigen Muskeltonus zu erarbeiten.
Dafür verkürzt oder verlängert man zum Beispiel durch bestimmte Hilfengebung einen Tritt der Hinterhand den das Pferd von sich aus in einer bestimmten Länge anbietet. Dafür muss es seine Muskeln entweder mehr anspannen oder mehr dehnen als es dies von sich aus tun würde. Diese Kraft wird dann durch sofort nachgesetzte Impulsgebung an die nächste Körperstelle weitergeleitet.
Beispiel:
Einem Pferd mit zum Beispiel einer im Bereich C6/C7 gestauchten Halswirbelsäule unter der sich ein ausgeprägter Unterhals vielleicht sogar mit massiven Muskelbeulen ausgebildet hat, womöglich noch begleitet von einem falschen Knick und einer Genickbeule, ist es nicht möglich durch diese Muskelverhärtungen Kraft oder Energie hindurchzuleiten um die Verspannungen in die Dehnung hinein aufzulösen, völlig egal an welcher Körperstelle der dazu auffordernde Impuls gesetzt würde.
In solch massiven Fällen kann der Impuls entweder gar nicht erst in den Körper eingeleitet werden oder er würde, falls sich eine Stelle zur Einleitung und/oder Weiterleitung fände, sofort in den verhärteten Muskeln versiegen. Pferde mit solchen Deformationen sind außerdem nicht in der Lage ihre Brustwirbelsäule genügend weit anzuheben, ganz gleich wie stark unterstützend sie sich mit ihrer Vorhand vom Boden abstoßen würden. Würde man nun versuchen die verkürzten Strukturen zu dehnen, indem man Pferd ausschließlich von hinten nach vorne in die Tiefe treibt, würde es sehr schnell sehr stark auf der Vorhand in den Boden hineinlaufen, womit dann auch schon das nächste Problem geschaffen wäre.
Eine sinnvolle Korrektur bei einem solchen Pferd würde damit beginnen, das Pferd abwechselnd durch Verkürzen der entsprechenden Hebel in einer sehr aufgerichteten Körperhaltung zu arbeiten und es sofort danach durch verlängern der Hebel in eine sehr hingegebene Körperhaltung zu entlassen. In der aufgerichteten Körperhaltung muss es die Muskeln die Halswirbel aufdehnend in Muskelfaserwuchsrichtung verkürzen. In der darauf folgenden sehr hingegebenen Körperhaltung muss es seine Muskeln in Muskelfaserwuchsrichtung dehnen.
Da beide Haltungen für das Pferd anfangs noch nicht entspannend sind, sollten dazwischen immer Phasen eingebaut werden, in denen das Pferd zur Entspannung seine ganz persönliche Fehlhaltung einnehmen darf.
Haben sich die belasteten Strukturen und Deformationen in ihren Möglichkeiten weitestgehendst erholt und hat sich das Muskelvolumen auf ein Mittel ausgebildet aus dem heraus es dem Pferd möglich sich seinen Muskeltonus weitestgehendst selber auszusuchen ohne dabei gravierende Fehlhaltungen einnehmen zu müssen, kann der Einsatz von sehr deutlichen Hebelkompensationen eingestellt werden.
Zusammenfassung
Für das alltägliche Training und besonders für die Korrektur kann es sehr hilfreich und sinnvoll sein, kurzfristige Muskel-Hebelkompensationen zuzulassen, oder sie manchmal auch deutlich zu provozieren.
Das ausgewogene, langsame und bedachte Verkürzen von Hebeln fördert die Ausbildung von Kraft, woraus reelle Versammlung, Hankenbeugung und Tragfähigkeit entwickelt werden können. Dabei ist sehr aufmerksam darauf zu achten, dass alle Hebel immer in ihrer natürlichen Länge bedienbar bleiben, dass das Pferd sie also nach dem Verkürzen durch das Entspannen seiner Muskeln jederzeit wieder verlängern kann.
Das Provozieren eines längeren Hebels in der Korrektur ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn sich ausgeprägt verkürzte Muskulatur an Körperstellen ausgebildet hat, an denen sie unerwünscht und damit behindernd ist. Eine stark verspannte und damit verkürzte Muskulatur hält Knochen und Gelenke in einer unnatürlichen Position fest, aus der heraus es den betroffenen Pferden - oft besonders in Bewegung - nicht mehr möglich ist die Gliedmaßen oder den Rumpf bis zur natürlich möglichen Länge zu strecken. Die Gelenke finden nicht mehr in ihre neutrale Stellung. Verlängert man die Hebel, fordert man das Pferd also zum Beispiel auf, sein Hinterbein weit zu strecken, dehnt es diese Muskeln.
Fordern wir das Pferd wiederholt auf, im Bereich der Fehlmuskulatur in Richtung der Muskelfasern längere Hebel einzusetzen, bzw. sich zu strecken, wird sich die falsche Muskulatur mit der Zeit dehnen und auf ein normales Maß entspannen. In den meisten Fällen ist die korrigierende Hilfengebung nicht bzw. nicht nur an den Stellen des Pferdekörpers zu setzen, an denen die falsche Muskulatur sichtbar ist. Je nachdem wie stark die Verspannung bzw. Fehlmuskulatur ist, kann ein Impuls mehr oder weniger gut an benachbarte Strukturen weitergeleitet werden. Deswegen ist der Impuls oft mehr oder weniger weit entfernt von der sichtbar deformierten Stelle zu setzen.
Muskulatur und Einsatzzweck
Muskeln bilden sich dort aus wo sie gebraucht werden. Wird ein Pferd überwiegend gesprungen, werden sich bei ihm hauptsächlich die für das Springen notwendigen Muskeln ausbilden. Wird ein Pferd die meiste Zeit gefahren, werden sich bei diesem Pferd überwiegend die für das Kutsche ziehen notwendigen Muskeln ausbilden. Das Ausbilden von Muskulatur insgesamt ist zudem von der genetischen Veranlagung des Pferdes abhängig. Das eine Pferd neigt dazu, mehr Muskulatur zu entwickeln, das Andere neigt zu weniger Muskulaturentwicklung.
Oft werden Pferde hinsichtlich der Entwicklung ihrer Muskulatur miteinander verglichen. Da jedes Pferd aufgrund seines Exterieures jedoch für bestimmte Disziplinen mehr oder weniger geeignet ist, bilden sie mitunter auch nicht miteinander vergleichbare Muskelbilder aus. Deswegen sollten Pferde die in verschiedenen Disziplinen trainiert werden nicht miteinander verglichen werden. Ein Dressurpferd hat für seine Aufgaben ein anderes Exterieur, andere Knochenstellungen und damit auch eine andere Muskelanordnung als ein Springpferd, ein Distanzpferd, ein Holzrückpferd oder ein Rennpferd. Eine Stute hat eine andere Muskelveranlagung als ein Wallach oder ein Hengst.
Muskulatur bildet sich entlang des Skeletts aus. Die Muskeln sind an den Knochen angewachsen, wodurch ihr grundsätzliches Entwicklungspotential vorbestimmt ist. Die Stellen an denen sie mit den Knochen verbunden sind und die Wuchsrichtung der Muskelfasern grenzen ein, in welche Richtung sie sich ausformen können, wie voluminös sie sich ausbilden können, wie lang sie sich dehnen und wie kurz sie sich zusammenziehen können. Umgekehrt halten die Muskeln den Knochenapparat stützend in seiner Position.
Muskeln liegen in Schichten übereinander und entsprechend dieser Muskelschichten sollten sie auch trainiert werden. Eine optisch sehr voluminöse Muskulatur der oberen Schichten beispielsweise muss nicht unbedingt ein Indiz für eine das Skelett kräftig stützende knochennahe tiefe Muskulatur sein. In jedem Fall jedoch, sollte zuerst die tiefe, knochennahe Stützmuskulatur gestärkt und ausgebildet werden bevor die darüberliegenden Muskelschichten darauf auftrainiert werden.
Eine über einer schwachen Tiefenmuskulatur liegende sehr voluminöse oft auch in kurzer Zeit aufgebaute obere Muskelschicht kann die Ausbildung der kleinen tiefen Muskeln stark erschweren und verzögern. Beobachten wir bei Pferden also besonders schnelle Muskelzuwächse, so kann – muss aber nicht - dies ein Indiz dafür sein, dass die wichtige Stabilisierung der tiefen Muskelschichten übergangen wurde.
Ein kräftiges und körperlich belastbares Pferd ist natürlich für jedes Vorhaben vorteilhaft. Auch Freizeitpferde tragen ihre Reiter am besten und gesündesten auf einem positiven muskulären Körperspannungsbogen. Entspannte, erholsame Ausritte sind wunderschön und streicheln die Seele. In der, im Normalfall sehr entspannten, "auseinandergefallenen" Ausreithaltung ist es unseren Pferden jedoch nicht möglich, einen tragenden Körperspannungsbogen auszubilden. Pferde, die im Hauptsächlichen sehr entspannt im Gelände bewegt werden, sollten deswegen von Natur aus ein besonders stabiles Skelett mit einer von Natur aus schon gut proportionierten Muskulatur frei von Fehlmuskulatur mitbringen.
Fehlmuskulatur liegt in erster Linie dann vor, wenn sich übermäßig ausgeprägte oder verhärtete, verformte Muskeln an Körperstellen zeigen, an denen sie aufgrund ihrer Fixierungsstellen am Skelett so voluminös eigentlich gar nicht sein dürften. Meist ist dieses Phänomen von einem viel zu schwach ausgebildeten Gegenspieler (Agonist / Antagonist) begleitet. Natürlich können auch tiefliegende Muskeln falsch ausgebildet oder stark verhärtet sein. In den meisten Fällen ist das auch so. Da man diese Muskeln jedoch nicht so offensichtlich sieht, wird diese Fehlmuskulatur leider oft zu spät realisiert, nämlich erst dann, wenn sich über die falsch ausgebildete tiefe Muskulatur bereits die falsch ausgebildeten sichtbaren oberen Muskelschichten gelegt haben.
Fehlmuskulatur hat verschiedene Ursachen. Sie wird sich zum Beispiel dann ausbilden, wenn ein Pferd mit sehr waagerechter Beckenstellung darauf trainiert wird, stark versammelte Dressuraufgaben der hohen Schule zu absolvieren, für die eine ausgeprägte Hankenbeugung (Zieharmonikaartiges abwinkeln der Hinterhandgelenke) notwendig ist, die es nicht darstellen kann. Ebenso wird sich Fehlmuskulatur ausbilden, wenn bestimmte angeborene Skelettanordnungen das Pferd dazu zwingen, ein pathologisches Bewegungsbild zu zeigen, diesem aber nicht durch korrigierende Maßnahmen entgegengewirkt wird. Eine zu stark entwickelte Muskulatur der oberen Schichten ohne stabile Tiefenschichtmuskulatur zählt auch zur Fehlmuskulatur.
Die individuell richtige Muskulatur und deren Volumen muss immer dem Exterieur und dem Einsatzzweck des Pferdes vernünftig angepasst von tiefer zu oberflächlicher Muskulatur ausgebildet werden. Muskeln müssen jederzeit sowohl in ihre maximal mögliche Länge entspannt als auch kräftig zusammengezogen und voluminös gefüllt werden können. Nur ein zur Entspannung fähiger Muskel kann sich elastisch zusammenziehen und nur bei einem zur Entspannung fähigen Muskel kann der Muskeltonus jederzeit kontrolliert dosiert werden.
Muskulatur Pferd
Ein gesunder Muskel kann sich dehnen indem er sich in die Länge zieht, er kann sich plötzlich stark zusammenziehen und sofort wieder lösen und er kann sich aufdehnen indem er sich voluminös füllt. Ein lang gezogener gedehnter Muskel ist nicht tragfähig, weswegen es sich nicht empfiehlt lange auf im ganzen Körper vollkommen losgelassenen, tiefenentspannten Pferden mit lang gestreckten Muskeln zu reiten. Ein stark zusammengezogener Muskel ist auch nicht tragfähig. Plötzlich oder auch dauerhaft stark zusammengezogene Muskeln stehen unter sehr hoher Spannung. Jede Belastung eines sehr stark gespannten, weniger durchbluteten und damit schlecht ernährten und mit wenig Sauerstoff versorgten Muskels hat noch mehr Verspannung und oft Übersäuerung zur Folge. Belasten wir Pferde mit sehr hoher Muskelspannung oft mit Reitergewicht, so wird sich die betroffene Muskulatur athropisch abbauen.
Ein gut durchbluteter, gut ernährter, mit viel Sauerstoff versorgter, voluminös gefüllter Muskel hingegen ist trag- und belastungsfähig und damit unser aller reiterliches Ziel. Ein solcher Muskel "atmet" und schafft dort Platz im Körper wo er benötigt wird. Er stützt die Knochenstrukturen die er umgibt, hält Knochen und Knorpel auf einem gesunden Abstand zueinander so dass sie sich nicht berühren und er hält die Gelenkspalten so weit offen, dass Gelenkflüssigkeit nicht verdrängt wird womit die Gelenke in ihr frei rotieren und sich bewegen können. Voluminös gefüllte atmende Muskeln dehnen die Pferdewirbelsäule auf, so dass sich die Wirbelkörper und Dornfortsätze weit genug voneinander entfernen um sich nicht zu berühren.
Faszien
Im Vergleich zu den Muskeln lassen wir den mittlerweile eigentlich schon relativ gut erforschten und bekannten Faszien in der Regel noch immer verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit zukommen.
Als oberflächliche, tiefe und viszerale Faszien werden die Teile des Bindegewebes bezeichnet, die den gesamten Körper als ein jedes Körperteil umhüllendes Netz durchdringen. Alle Körperteile sind von Faszien umwoben. Faszien sorgen unter Anderem dafür, dass alle unsere Körperbestandteile, Muskeln und Organe an Ort und Stelle bleiben. Ohne dieses Bindegewebsnetz würde das Skelett unserer Pferde wie eine Holzdrückfigur oder Marionette ohne Halt einfach in sich zusammenfallen. Besser bekannt ist dieses Körperstabilsierungsphänomen auch unter dem Namen Tensegrität. Mit Hilfe der Faszien werden Bewegungen ermöglicht, die allein durch Muskelkraft nicht möglich wären. Beispielsweise verdanken unsere Pferde ihre elastische Sprungkraft im Hauptsächlichen den Eigenschaften ihrer Faszien. Besonders die athletisch oft sehnig wirkenden Pferde die beim Laufen "kaum den Boden berühren" haben in der Regel ein besonders stabiles Bindegewebskonstrukt.
Je nach Beschaffenheit sind Faszien mehr oder weniger dehnbar womit sie ihrer Struktur entsprechend unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Die sehr dehnbaren oberflächlichen fett- und wassereinschließenden Faszien finden sich im Unterhautgewebe und füllen darüber hinaus Leerräume im Körper. Die weniger dehnbaren, kontraktionsstabilen viszeralen Faszien sind im Hauptsächlichen dafür zuständig, die Organe aufzuhängen und zu umschließen. Die sehr faserreichen, dichten, wenig dehnbaren sehr zugstabilen tiefen Faszien durchdringen und umschließen Muskeln, Knorpel, Knochen, Nervenbahnen und Blutgefäße, außerdem können sie sich je nach lokalen Belastungsverhältnissen zu Bändern, Sehnen, Gelenkkapseln und flächigen Sehnenplatten wie zum Beispiel der sehr großen lumbodorsalen Rückenfaszie organisieren. Damit Faszien reibungslos übereinander und aneinander vorbeigleiten können, laufen sie in bzw. über Gleitschichten.
Besonders die wenig durchbluteten jedoch stark mit schmerzempfindlichen Rezeptoren durchdrungenen tiefen Faszien können manchen Pferden und auch Menschen schwer zu schaffen machen. Faszien können sich, genau wie Muskeln, stark verspannen, dies allerdings auch ohne dass die Muskeln verspannt sind, weswegen durch krankhafte Veränderungen der Faszien hervorgerufene Beschwerden lange nicht erkannt wurden und auch heute noch oft nicht erkannt werden. Dauerhafte Fehlbelastungen, Bewegungsmangel, Stress oder auch Flüssigkeitsmangel können dazu führen, dass sich ihre normalerweise systematisch perfekt ausgerichtete spinnennetzartige Struktur pathologisch verändert, die Faszien verkleben, reissen, Löcher bekommen, sich auf verschiedenste Weisen verdrehen, falsch ausrichten oder verdicken, womit sie ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können. Einmal krankhaft veränderte Faszien beim Pferd zu heilen ist schwierig, weswegen wir sie vorbeugend schützen müssen.
Kennen wir die Muskeln, verstehen wir die Funktion und Bedeutung des empfindlichen Fasziengeflechtes unserer Pferde und wissen wir intuitiv oder bewusst erlernt wie diese Organismen von der Hufspitze bis zur Nasenspitze voneinander abhängig ineinander verwoben zusammenwirken, können wir Training, Korrektur und jedwelch anderwertig aufbauende Arbeit mit dem Pferd seinem Exterieur zuträglich und damit sinnvoll und gesund gestalten.